Markus Gull hat beim CSR-Tag von „Respact“ das Café Julius kurzer Hand in der VOEST Stahlwelt geöffent und Tinna Nielsen interviewt. Sie ist internationale Inklusions-Expertin im Wirtschaftskontext, Mitglied der Young Global Leaders des World Economic Forum und Gründerin der Organisation „Move The Elephant For Inclusiveness“.
Wie bringen wir Menschen dazu, sich zu verändern?
„‘Move The Elephant‘ – das ist natürlich nur eine Metapher; wir bewegen Menschen, und keine Elefanten“, erklärt Tinna Nielsen, die sich seit vielen Jahren in verschiedenen Organisationen damit beschäftigt, Inklusionssprozesse zu initiieren und zu begleiten. Ihren Fokus richtet die Anthropologin dabei darauf, Diversität – egal ob diese durch Gender, Kultur, Alter … bedingt ist – als Chance und Potenzial in Unternehmen zu etablieren. Es geht darum, das Potenzial aller Mitarbeiter und ihrer Ideen zu erschließen Das erreicht Sie durch verschiedene Inklusionstechniken. „Anfangs habe ich Fehler gemacht – ich bin so fair das zuzugeben – heute habe ich meine Lektionen gelernt. Ich habe mich am Anfang zu viel darauf verlassen, dass andere Menschen die Bedeutung eines Veränderungsprozesses im Sinne von nachhaltigen Innovationen verstehen. Heute, nach vielen Jahren der Forschung, weiß ich, dass dieses Verstehen nicht eine Frage des rationalen Verstandes ist, sondern dass ein anderer Teil unseres Gehirns für Verhaltensänderungen verantwortlich ist“.
Dem Reiter helfen, den Elefanten zu steuern
Tinna Nielsen hat Anthropologie und Psychologie studiert; daraus und aus ihrer Unternehmenspraxis entstand die Metapher des Verhaltens eines Elefanten und seines Reiters. „Dieses Bild hat mir die Augen geöffnet, weil es genau für unsere beiden Gehirnhälften steht“, schildert Tinna Nielsen. „Der Teil des rationalen Verstandes fokussiert auf das Verständnis des jeweiligen Geschäftsmodells; er ist sozusagen der kleine Reiter auf dem Rücken des großen Elefanten, den er versucht, in die richtige Richtung zu steuern; doch dieser sechs Tonnen schwere Elefant, der den anderen Teil unseres Verstandes symbolisiert, lässt sich nicht gegen seinen Willen steuern. Dieses Bild war die Initialzündung für mich, zu forschen und zu experimentieren, wie dieser Elefant in die richtige Richtung bewegt werden kann. Das ist kein einfaches Unterfangen, sondern eine komplexe, fordernde Aufgabe“.
Die Menschen dabei unterstützen, Neues annehmen zu können
„Move The Elephant For Inclusiveness“ berät Unternehmen, wie sie das Potential von Diversität (der MitarbeiterInnen) durch Inklusion effektiv nutzen können. „Unsere Arbeitsplätze, Organisationen, Gemeinschaften und Gruppen sind standardmäßig so beschaffen, dass sie neues Wissen, neue Ideen und unbekannte Informationen ausschließen; nicht als Resultat einer geplanten Entwicklung sondern aufgrund der menschlichen Natur, dem ältesten Teil unseres Gehirns, der dem Elefanten entspricht“, so Nielsen, „und dieser Teil ist überlebens- und instinktgeleitet. Informationen, Ideen und Kompetenzen zu (er)kennen verschafft uns assoziative Sicherheit, Menschen mit diesen (unseren eigenen) Eigenschaften und Kompetenzen sind uns vertraut und erinnern uns an uns selbst. Ihre Ideen, an die wir uns erinnern, halten wir für gut und richtig, weil sie bisher funktioniert haben.“
Neues lernen, weil sich die Welt verändert
Besonders für den Digitalen Wandel gilt: Die einzige Konstante ist die Veränderung. Nielsen dazu: „Weil sich die Welt, der Kontext und vielleicht sogar das Geschäftsmodell verändert haben, dürfen wir nicht in den alten, uns vertrauten Bahnen gefangen bleiben. Das ist die Kernbotschaft für die von uns beratenen Unternehmen und Organisationen, ob öffentlich oder privat, NGO, UN oder OECD; nämlich die Menschen in die Lage zu versetzen, diese Veränderungen in ihrem Handeln zu integrieren.“
Erfahrungen weitergeben und Wissen teilen als Aufgabe
„Wir haben kein Marketingbudget. Ich treffe Leute auf der ganzen Welt und leiste viel Denkarbeit, ohne dafür Honorar zu erhalten, weil ich an das Geben glaube. „Move The Elephant For Inclusiveness“ ist eine Non Profit Organisation, deren Wirken auf Weitergeben und Teilen ausgerichtet ist“, erklärt Tinna Nielsen ihr Geschäftsmodell. „Wenn wir für große, finanziell potente Organisationen oder Unternehmen arbeiten, die dafür ein Budget haben, dann zahlen diese die dafür marktüblichen Preise. Die Erlöse daraus gehen an unsere Organisation, ich erhalte mein monatliches Gehalt. Aus den Überschüssen, die wir erzielen, „beschenken“ wir andere Organisationen, die Beratungs- bzw. Veränderungsbedarf und -willen, aber dafür kein Budget haben. Das entspricht unserer Philosophie des „gleichen Zugangs für alle“. Was wir immer einfordern, sind die Berichte über die Ergebnisse, darüber, was funktioniert hat und was nicht; damit wir daraus lernen können. Es steckt viel Arbeit dahinter, diese Vertrauensbasis zum Teilen der Ergebnisse herzustellen, und am Laufen zu halten.“
Viele kleine Schritte führen zum Ziel
„Move The Elephant For Inclusiveness“ sehe sich, so Tinna Nielsen, als Social Business, als globaler Veränderungsinitiator. Die Kernbotschaft: es braucht fundamentale Veränderungen um eine inklusive Welt zu bauen, in der Menschen und gute Ideen nicht zurückgelassen werden. Dazu braucht es aber nicht riesen Prozesse mehr lähmen als aktivieren, sondern viele kleine Schritte, so genannte Nudges, die uns in die richtige Richtung stupsen.
Leidenschaft als Quintessenz
Die wichtigsten Ratschläge aus ihrer Erfahrung, die Tinna Nielsen für Menschen hat, die ein Social Entrepreneurship anstreben, sind „es zu versuchen, wenn sie wirklich daran glauben, und sehen, dass es einen Bedarf und eine Nachfrage danach gibt. Die Gründung war (auch) für mich ein Sprung in die Unsicherheit“, erinnert sich Tinna Nielsen, „von Beginn an habe ich mit meiner Partnerin Lisa Kepinski viel eigenes Kapital in die Entwicklung und das Teilen von Techniken („Inclusions Nudges“) investiert; in deren Zusammentragen, die Dokumentation und die Aufbereitung. Wichtig ist es auch, ein Geschäftsmodell zu finden und zu entwickeln, bei dem die eigene Leidenschaft erhalten bleiben kann, und bei dem in der Wachstumsphase zusätzlich zur Selbstfinanzierung auch weitere Mitteln lukriert werden. Dabei muss man den eigenen Weg finden; sich nachhaltig entwickeln, aber sich dabei auch nicht zu sehr an Sponsoren binden, und die Unternehmensführung in einer Art wahrnehmen, welche die eigene Leidenschaft aufrecht erhält. Diese Leidenschaft ist das wesentliche Element. Wenn Leute einen für etwas prügeln und man an sich selbst zu zweifeln beginnt; sich dann am eigenen Schopf herauszuziehen und neue Energie für die Aufgaben zu schöpfen; dafür braucht man dann diese Leidenschaft, den Glauben daran, die Welt zum Besseren zu verändern.
Tinna C. Nielsen ist gebürtige Dänin, Anthropologin und Gründerin der Non Profit Organisation „Move The Elephant For Inclusiveness“, „World Economic Forum Young Global Leader“ und Ko-Vorsitzende des „Global Future Council for Behavioural Science“. Sie ist Ko-Autorin des“ Inclusion Nudges Guidebook“ und Ko-Gründerin des Non Profit Netzwerks „Inclusion Nudges Global Community of Sharing“, einer weltweiten Bewegung zur Weiterverbreitung von Techniken der Verhaltensforschung um gesellschaftlichen Verwerfungen entgegenzuwirken und Inklusion zu fördern.