12. November 2024

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# Arbeit & Wohlstand

Eigentum braucht Zukunft

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Im üblichen Sommerloch machte diesmal das Phantom im schottischen Loch Ness Pause, dafür erschienen vermeintlich längst begrabene Steuerungeheuer auf der österreichischen Bühne: Erbschafts- und Vermögenssteuern sollen nach den Vorstellungen der Sozialdemokraten und Grünen wieder eingeführt werden. Begründung? Wie immer – Verteilungsgerechtigkeit, Umverteilung, Finanzierung weiterer Sozialleistungen.

Solche Ideen sind keineswegs neu. Seit jeher haben größere Vermögen viele Begehrlichkeiten hervorgerufen. Noch nie aber ging es den Bürgern eines Landes dadurch besser, wenn die Bildung von Vermögen, der Erwerb von Besitz bekämpft oder Reiche enteignet wurden. Guy Kirsch, ein Pionier der Neuen Politischen Ökonomie, forderte vor Jahren sogar eine 100%-Steuer für das Erben: Wer den Einzelnen ernst nehme, müsse es als Ärgernis empfinden, wenn Kinder reicher Eltern nur deshalb besser durchs Leben gehen, weil diese vermögend sind.

 

Achtung, Kontrolle!

Natürlich teilen nur wenige solche Extrempositionen. Größere Zustimmung findet die Forderung nach höheren und progressiven Erbschaftssteuern. Begehrliche Blicke fallen dabei auf die rund 20 Mrd., die pro Jahr in Österreich vererbt werden, künftig angeblich sogar 30–40 Mrd. Euro. Präzise Schätzungen gibt es nicht – Achtung! Wer solche Steuern einheben will, wird auch genauere Kontrollen von Besitz und Vermögen vorsehen. Eine Erbschaftssteuer tritt beim Todesfall eines Erblassers ein; die Steuern auf Vermögen sind hingegen jedes Jahr zu entrichten. Beide sind ihrer Natur nach Substanzsteuern. Die wichtigsten Argumente und Einwände:

 

  • Erbschaften besteuern hieße, ein bereits mehrfach durch (Einkommensteuer, Kapitalertragsteuer, Grundsteuer etc.) besteuertes Vermögen ein weiteres Mal zu besteuern. Befürworter argumentieren, nicht das Vermögen, sondern der Erbe – also die Person – werde besteuert; dessen Vermögenszuwachs werde eben zum ersten Mal besteuert. Die meisten Erbfälle betreffen Immobilien, in jedem zweiten Fall das klassische Einfamilienhaus, in jedem vierten ein Zweifamilienhaus. Zur Erinnerung – für die arbeitende Bevölkerung geht der klassische Weg zur Vermögensbildung über das Wohnungseigentum. Wer solches besitzt, baut bis zum Pensionsantritt in der gleichen Alters- und Einkommensklasse fünfmal mehr Vermögen auf als Mieter (laut einer Studie des empirica Instituts, Berlin). Eigentümer sparen deutlich mehr. Solche Werte aufzubauen, die an die Kinder weitergegeben werden, ist für sechs von zehn Befragten ein wichtiges Motiv für den Eigentumserwerb einer Immobilie.

 

  • Damit kommt ein wichtiges Argument gegen die Erbsteuer zum Tragen. Eltern, die vererben wollen, haben darauf verzichtet, ihren erarbeiteten und bereits versteuerten Besitz selbst zu verbrauchen. Dieses Verhalten, etwas zu sparen und für die Nachkommen zu erhalten und weiterzugeben, entspricht dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Steuern auf Erbschaften verringern diesen Anreiz deutlich – lieber selbst noch die Früchte des Ange sparten genießen, als es später mit dem Staat zu teilen. Befürworter sehen in solchen Steuern hingegen eine Verringerung der gesellschaftlichen Ungleichheiten und wollen damit oft zusätzliche Sozialleistungen finanzieren. Angesichts einer Steuer- und Belastungsquote von rund 43% in Österreich (vgl. Schweiz mit 28%) und einer im internationalen Vergleich sehr hohen Sozialquote von 30% ist dieses Argument einigermaßen kühn. Es erinnert eher an den nie zu stillenden Hunger des „Raupe Nimmersatt“-Staats.

 

  • Besitz zu erhalten, ist immer aufwendig. Immobilien müssen saniert, die Bausubstanz erhalten werden. Unternehmen brauchen regelmäßige Investitionen, um wettbewerbsfähig und zukunftsfest zu bleiben. Und der dann daraus fließende Ertrag ist ohnehin immer zu versteuern (Mieterträge, Kapitalanlagen, Unternehmensgewinne). Wie wird übrigens die öffentliche Hand mit ihrem gewaltigen Wert an Grundstücken und Immobilien um gehen? Oder wie sollen Kirchen eine jährlich anfallende Substanzsteuer auf Kirchen, Pfarrhöfe und Liegenschaften aufbringen?

 

  • Österreich leidet ohnehin an einem viel zu kleinen Kapitalmarkt. Venture Capital, Risikofinanzierungen, Start-ups sind dringend notwendig. Sie können und sollen gar nicht vorrangig von der öffentlichen Hand unterstützt werden, dazu ist viel privates Risikokapital notwendig. Will man wirklich die zaghaften Versuche, in Zukunft einen solchen Kapitalmarkt zu entwickeln, im Keim ersticken? Wenn ja, dann ist die laufende Diskussion bereits jetzt ein voller Erfolg.

 

  • Abenteuerlich sind die angedachten Sätze beim Vererben eines Vermögens: zwischen ein und fünf Millionen Erbschaft 25%, bis 10 Mio. 30%, bis 50 Mio. 35%, ab 50 Mio. sogar 50%. Die meisten Vermögen dieser Größenordnung sind aber Unternehmenswerte, Grundstücke, Wald und Immobilien, die naturgemäß gebundene Werte (eigentlich fiktive Bewertungen) darstellen. Eine in Geld zu entrichtende Steuer auf diese angenommenen Werte verringert die Substanz in oft existenzgefährdender Weise. Hier kommen dann findige Experten ins Spiel – deutsche Steuerberater werben bereits damit, wie diese „Dummensteuer“ zu umgehen ist. Die Superreichen würde man so ohnehin nicht erreichen, diese verlagern einfach ihre Standorte und Firmensitze. Norwegen machte diese Erfahrung schon. Selbst die Schattenregierung von Labour kündigte bereits an, auf diese Steuern verzichten zu wollen.

 

  • Außerdem braucht die vorgeschlagene 30-jährige Rückwirkung einen massiven Überwachungs- und Kontrollapparat, der alle Bürger umfasst, sich also keineswegs auf jene 4% beschränken wird, die öffentlich immer wieder genannt werden. In diesem Zusammenhang gewinnen natürlich – immer wieder geleugnete – Ansätze zur Beschränkung des Bargeldverkehrs an Bedeutung. Denn nur so kann verhindert werden, dass Vermögen schon zu Lebzeiten aufgeteilt und/oder verschoben werden. Völlig unklar ist, wie Aktien oder Stiftungsvermögen behandelt werden soll. Jedenfalls würden sich viele, vor allem Österreicher überlegen, in Aktien zu investieren – was das Gegenteil auslöst, was wir eigentlich anstreben sollten: Mitarbeiter und Bürger zu Miteigentümern der österreichischen Wirtschaft zu machen.

 

Freiheit und Eigentum schützen

Die österreichische Verfassung formt staatliche Macht und begrenzt sie. Gegenwärtig sollte es darum gehen, die Macht staatlicher und auch europäischer Regelungswut einzubremsen. Der Grundgedanke aller bürgerlichen Revolutionen – und alle europäischen Demokratien bauen darauf auf – ist es, die Freiheiten, Rechte und Eigentum der Bürger zu beschützen und zu bewahren.

Kluge und weitblickende Sozialdemokraten wussten dies – sie hatten oft noch die Verwerfungen und Fehler des real existierenden Sozialismus erlebt – von Osteuropa bis Asien und Lateinamerika. „Eat the Rich“ hat dort noch nie etwas Positives bewirkt. Tony Blair, Gerhard Schröder, Ferdinand Lacina und andere wussten dies. Ihre Nachfolger sollten dies beherzigen – und moderne Volksparteien alles daransetzen, solche Enteignungsversuche und Retropolitik zu verhindern. Lassen wir die alten Hüte lieber im Depot.

 

Der Autor:

Wolfgang Schüssel (Jahrgang 1945) war von 2000 bis 2007 österreichischer Bundeskanzler und in dieser Funktion im 1. Halbjahr 2006 EU-Ratsvorsitzender. In den Jahren 1989 bis 2000 war er als Wirtschaftsminister und Außenminister maßgeblich am Beitritt Österreichs zur Europäischen Union verantwortlich. In seine Zeit als Bundeskanzler fallen u.a. die Einführung des Euro, die Pensionssicherungsreform, die Rückführung der Staatsschulden, die Privatisierung verstaatlichter Industrie, die Abfertigung neu, das Kindergeld neu sowie die Restitutionszahlungen an die Opfer des Nationalsozialismus. Von 1979 bis 2011 war Wolfgang Schüssel Abgeordneter zum Nationalrat. Heute widmet er sich als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen (ÖGAVN) den österreichischen Außenbeziehungen, insbesondere der Europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik. Zudem ist Wolfgang Schüssel im Kuratorium der Stiftung Demoskopie Allensbach und Vorsitzender des Kuratoriums der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Dieser Beitrag stammt aus unserer Publikation "Eigentum braucht Zukunft"

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