20. November 2019

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# Digitales Lernen

Quantentheorie spielen

Es verwundert irgendwie nicht, dass Physik nicht gerade zu den Lieblingsfächern der österreichischen Schüler gehört. Ob des Wissens darüber ist es eigentlich traurig, dass eine derart wichtige Disziplin von vielen derart abgelehnt wird. Man kann nur spekulieren, woran das liegen mag. Vielleicht sind es die mal weniger, mal mehr komplexen Formeln mit Buchstaben, deren Zusammenhänge sich einem scheinbar nicht erschließen wollen. Vielleicht ist es die theoretische Abstraktion realer, mit dem menschlichen Auge beobachtbarer Phänomene, die die Physik für viele so schwer greifbar machen. Vielleicht schreckt die schier nicht enden wollende Komplexität der Physik die um Einfachheit bemühte Menschheit ab. Vielleicht sind die Gründe genauso wenig erfassbar, wie die Physik für viele, die sie derart verschmähen. Vielleicht findet sich die Erklärung in alledem, vielleicht aber auch wo anders, wer weiß. Was man letztlich dennoch weiß, ist, dass man die Physik nicht beiseitestellen kann, denn sie ist unser täglicher Begleiter.

Spielen ist die Lösung

Kindliche Neugier ist bekanntlich unbändig. Bemerkenswert ist, wie Kinder scheinbar spielerisch für sie Neues erforschen, erlernen und in ihr Verständnis von der Welt inkorporieren. Oft verwundert darüber, was kleine Kinder, die noch nie eine formale Bildung genossen haben, alles intuitiv lernen können, vergessen wir häufig, dass wir alle irgendwann im Verlaufe unserer Biografie auch einmal Kinder waren. Das gibt zu verstehen, dass komplexe Zusammenhänge womöglich mit einem spielerischen Zugang verständlicher werden. Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum sich Computerspiele bei allen Altersklassen immer größerer Beliebtheit erfreuen.

Physikalische Katzen

Als die ersten Gedanken zur Quantenphysik aufkamen, stießen sie nicht überall auf wohlwollende Ohren. Auch heute noch tun sich Physiker schwer, die Quantenphysik in die Welt der uns „altbekannten Physik“ einzubinden. Zweifelsohne seltsam mutet beispielsweise die Vorstellung an, dass etwas zugleich das eine wie auch das komplette Gegenteil dessen sein kann. In diesem Zusammenhang sei auf das eindrucksvolle Gedankenspiel von Schrödingers Katze verwiesen, das überaus intuitiv veranschaulicht, wie etwas, in diesem Fall eben eine Katze, im selben Moment tot und lebendig sein kann.

Spielende Quantenphysiker

Die sogenannte „Citizen Science“ – grob übersetzt „Bürgerwissenschaft“ – bindet eine breite Masse an Laien und Disziplinfremden in Forschungsprojekte ein, indem diese aktiv am Prozess mitwirken, regelrecht mitforschen. Spätestens jetzt läuten wohl die ersten kritischen Alarmglocken: Wie soll jemand, der Physik nur als Horrorfach in der Schule vage in Erinnerung hat, etwas zur Forschung in einem der anspruchsvollsten Teilgebiete der Physik beitragen? Die Antwort ist so banal wie sie einfach ist – und wer aufmerksam mitgelesen hat, weiß es vermutlich eh schon: mit Spielen, genauer mit Computerspielen.

Mit dem „Alice Challenge“ genannten Computerspiel entdecken – und forschen letztlich – Spieler an Methoden der Atomkühlung im Zuge eines realen Quantengasexperiments. In einer digitalen Umgebung sollen Spieler spielerisch versuchen, die zur Kühlung erforderlichen Laserstrahlen entsprechend einzustellen, um die größtmögliche Kühlung zu erzielen. Die Forscher waren – und sind wohl nach wie vor – erstaunt, wie komplexe Probleme auch von den allgrößten Laien auf eine sehr intuitive Herangehensweise angegangen und durchaus auch gelöst werden können.

„Die Alice Challenge“ ist eines von zahlreichen Projekten von Wissenschaftlern, Spieleentwicklern, Designern und bildenden Künstlern im Rahmen von „Science at Home“ an der Universität Aarhus, die sich alle der Überzeugung verschrieben haben, dass ungeheures Potenzial in spielerisch gelebter „Citizen Science“ steckt. Wie vorhin gezeigt, erweisen sich digitale Spiele als hilfreich, um auch die vermeintlich schwierigsten Themengebiete vielen Menschen zugänglicher zu machen. Nun kann jeder spielerisch zum Quantenphysiker werden – digitales Spielen und Lernen sei Dank. Denn zweifelsfrei helfen intuitives Spielen und Spaß dabei, Neues viel eher zu verstehen.

Mehr dazu:

ScienceAtHome

Quantum science turns social. The Alice Challenge, from idea to publication

Universität Aarhus, Dänemark

 

(tn)