Mehr als 5,3 Millionen Österreicher tun es bereits – und das durchschnittlich 11,5 Stunden pro Woche, Männer deutlich mehr als Frauen, Jugendliche und junge Erwachsene wesentlich länger als Ältere oder Kinder unter zehn Jahren, durchschnittlich mit einem Alter von 35 Jahren, Tendenz in jedweder Hinsicht steigend.[1] Die Rede ist vom Videospielen. Doch auch wenn noch hin und wieder als vermeintliches Nischenphänomen verschrobener, im Keller verbarrikadierter Außenseiter gesehen, so ist das Videospielen heute zu einer der primären Unterhaltungsformen geworden, die jedes Jahr immer mehr Menschen begeistert in den Bann ziehen. Gerade in der milliardenschweren, jährlich stark wachsenden Videospielindustrie herrscht erbitterter Konkurrenzkampf im Buhlen um potenzielle Videospieler. Das versinnbildlicht, welche Bedeutung Videospiele allein schon aus wirtschaftlicher Sicht dieser Tage besitzen.
Geistig topfit, aber körperlich nicht?
An Videospielen wird oft kritisiert, sie schadeten Menschen, indem sie sie von körperlicher Betätigung oder sozialer Interaktion abhielten oder gar – ganz plump ausgedrückt – pure Zeitverschwendung ohne jedweden Nutzen darstellten. All das Videospielen allein anzulasten und diese so komplexe Materie so zu verkürzen, ist nicht zielführend und vergisst auch die positiven Seiten zu beleuchten. Zweifelsfrei hindert gerade exzessives Spielen von sogenannten passiven Computerspielen, also jenen, die keine körperliche Bewegung abseits der Bedienung von Tastatur und Maus bzw. Controller erfordern, Menschen an physischer Aktivität. Doch es darf nicht vergessen werden, dass Videospiele ungeheuer vielseitig und vielfältig sind. Mittlerweile gibt es kaum Genres oder Interessenslagen, die nicht irgendwie eine Umsetzung in der digitalen Welt erfahren haben.
Online-Multiplayer-Spiele wie „DOTA“ oder „League of Legends“ verlangen Teamgeist, Kooperation, strategisches Denken sowie Koordinierung mit Wildfremden und erfreuen sich einer großen, überaus aktiven internationalen E-Sports-Community. Rollenspiele, ob offline, wie die „The Witcher“-Reihe, oder online, wie „World of Warcraft“, erschaffen ganz neue virtuelle Welten, die in ihrer Komplexität der echten Welt in vielen Bereichen um nichts nachstehen. Darüber hinaus gibt es noch ein schier unendliches Meer an sogenannten Indie-Spielen, ambitionierte Projekte einer Einzelperson oder eines engagierten kleinen Teams, die vor allem durch ihre spielerische und oftmals auch erzählerische Raffinesse und Kreativität überzeugen. Doch auch lange gehegte Berufswünsche können virtuelle Realität werden, ob es nun der grantige Bimfahrer auf der Wiener 1er-Linie in „TramSim“ oder der Herzblut-Landwirt im „Landwirtschaftssimulator“ sein soll. Es gibt aber auch aktive Videospiele, die den Spieler regelrecht dazu zwingen, sich körperlich zu betätigen, wie zum Beispiel das Eingabesystem „Kinect“. Der unaufhaltsame technologische Fortschritt lässt den Spieler immer tiefer in immer eindringlichere Welten tauchen und erlaubt Geschichten und Ideen in bis dahin ungekannte Weisen zu erzählen.
Je nach Genre und konkretem Spiel werden vom Spieler die verschiedensten Fähigkeiten abverlangt. Während so manches Spiel die Schnelligkeit wie auch Kommunikation mit Mitspielern auf die Probe stellt, braucht es für andere wiederum strategisches Denken oder auch schlichtweg bloß die Bereitschaft, sich auf die sich vor einem am Bildschirm ausbreitenden Welten einzulassen, um von den erzählten Geschichten mitgenommen zu werden. Man kommt schlichtweg nicht mehr drumherum, Videospiele genauso als Kunstform anzuerkennen, wie dies Bücher und Filme sind. Die immanente Interaktion des Videospiels mit dem Spieler lässt ihn eintauchen und – gerade bei besonders gut gemachten Spielen – gibt es ihm das Gefühl, zumindest für ein paar Stunden, ein Teil dieser virtuellen Welt zu sein. Sich auf solche Erfahrungen einzulassen, verlangt natürlich auch nach kognitiven Fähigkeiten, die ebendies erlauben. Es ist daher nicht überraschend, dass gerade Videospieler über beeindruckende Reaktionszeiten, strategisches Denkvermögen und Koordinationsfähigkeiten verfügen.
Spielerisch therapieren
Die nachweisliche Verbesserung der kognitiven Leistung durch Videospiele geht mit der Vergrößerung des Hirnvolumens einher. Es verwundert daher nicht, dass verstärkt auf Therapieansätze gesetzt wird, die auf Videospielen aufbauen. Entsprechende Programme, wie das memoreBox-Projekt in Deutschland, fördern mit gezielten Videospieltherapien körperliche und geistige Fähigkeiten, aber auch das Selbstwertgefühl von Senioren.[2] Tatsächlich spricht vieles dafür, dass Videospiele gegen Demenz-Erscheinungen wie Alzheimer helfen können. Jüngste Versuche untermauern zum Beispiel die Überlegenheit von Videospielen in der Diagnose von Alzheimer.[3] Das eröffnet neue Möglichkeiten im Kampf gegen kognitive Beschwerden. Doch auch in der ADHS-Behandlung zeigen Videospiele ungeahnte Pfade auf. In den USA wurde zum Beispiel ein speziell entwickeltes Spiel zur Therapie zugelassen, das vielsprechende Ergebnisse liefert.[4] Vielleicht führen diese auch dazu, dass über den Nutzen von Videospielen eine sachlichere Debatte geführt wird. Schlussendlich sind Computerspiele – ob man es nun will oder nicht – längst in der Mitte der Gesellschaft angelangt. So wie sie ein Medium der Gegenwart sind, so sind sie erst recht ein Medium der Zukunft. Denn sie bereiten nicht nur viel Freude, sondern bieten zukunftsweisende kognitive Therapieansätze. Doch wie mit allem im Leben, gilt auch für das Computerspielen: mit Maß und Ziel.
(tn)
[1] https://oesterreich.orf.at/stories/3024655/
[2] https://www.swr.de/heimat/rheinhessen/av-o1189406-100.html
[3] https://www.peix.de/2019/02/e-sport-computerspiele-gesundheitswesen/