31. Jänner 2025

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Warum der Kapitalmarkt in Österreich so unbeliebt ist

Der Kapitalmarkt spielt eine zentrale Rolle in vielen Volkswirtschaften, doch in Österreich fristet er ein Nischendasein. Während beispielsweise in den USA Börseninvestitionen und Aktienbesitz als selbstverständlicher Bestandteil der Altersvorsorge und Vermögensbildung angesehen werden, ist das Vertrauen der Österreicher:innen in den Kapitalmarkt vergleichsweise gering. Doch woran liegt das, und wie könnte sich dies ändern?

 

Historische und kulturelle Wurzeln der Skepsis

Die Skepsis gegenüber dem Kapitalmarkt in Österreich hat tief verwurzelte historische und kulturelle Ursachen. Der Zusammenbruch der Credit-Anstalt im Jahr 1931 gilt als eines der prägendsten Ereignisse. Die größte Bank Österreichs ging in der Weltwirtschaftskrise unter und zog Tausende Anleger:innen mit sich in den Abgrund. Dieses Ereignis hinterließ nachhaltige Spuren im kollektiven Gedächtnis der Österreicher:innen. Der Kapitalmarkt wurde fortan oft als riskant und instabil angesehen.Zusätzlich spielte auch die Nachkriegszeit eine Rolle. Mit dem Aufbau eines sozialen Wohlfahrtsstaates und einer stark staatlich gelenkten Wirtschaft stand die Idee des „sicheren Sparbuchs“ im Vordergrund. Die hohe Sparquote in Österreich spiegelt diese Mentalität bis heute wider. Kapitalmarktbeteiligungen hingegen galten oft als Spekulation und wurde als etwas „Unmoralisches“ empfunden, das vor allem Großinvestor:innen vorbehalten sei.

 

Der Vergleich: USA, Deutschland und Österreich

In den USA genießt der Kapitalmarkt seit jeher eine hohe Beliebtheit. Grund dafür ist z.B. der 401(k)-Plan, ein in den USA weit verbreitetes, arbeitgeberunterstütztes Altersvorsorgemodell, das es Arbeitnehmern ermöglicht, einen Teil ihres Gehalts steuerbegünstigt für den Ruhestand anzusparen.  Dadurch haben viele Amerikaner:innen schon früh erste Berührungspunkte mit dem Kapitalmarkt. Außerdem lernen junge Menschen den Umgang mit Investitionen, sei es durch Bildungsinitiativen oder durch allgegenwärtige Unternehmen wie Apple, Tesla oder Google, deren Aktien für viele als Symbol des amerikanischen Traums stehen.Deutschland steht im Vergleich Österreichs zwar besser da, bleibt jedoch hinter den USA zurück. Initiativen wie der „Aktienfonds für die Rente“ oder die verstärkte Förderung von Börsenwissen haben dazu beigetragen, dass immer mehr Deutsche in den Kapitalmarkt investieren. Dennoch bleibt die Zahl der Aktionäre auch in Deutschland ausbaufähig.In Österreich hingegen besitzen laut aktuellen Studien nur rund 27% der Bevölkerung Wertpapiere. Das ist bereits ein guter Ausgangspunkt, wenn man sich die Entwicklungen vom Jahr 2023 auf 2024 ansieht. Hier haben nämlich ganze 200.000 Personen – die Größe der Stadt Linz – angefangen am Kapitalmarkt zu partizipieren. Trotzdem haben die Österreicher:innen noch einiges aufzuholen. Mangels breiter finanzieller Bildung bleibt der Kapitalmarkt für viele ein Mysterium. Gleichzeitig fehlen politische Anreize und staatliche Initiativen, die die Hemmschwelle für das erste Investment reduzieren und Unsicherheiten nehmen könnten.

 

Chancen zur Bekämpfung sozialer Ungleichheit

Der geringe Zugang zum Kapitalmarkt hat gravierende Folgen, insbesondere im Hinblick auf soziale Ungleichheit und Altersarmut. Die staatliche Altersvorsorge in Österreich steht vor großen Herausforderungen, bedingt durch eine alternde Bevölkerung und einen schrumpfenden Kreis von Einzahler:innen. Ein stärkerer Fokus auf den Kapitalmarkt könnte hier Abhilfe schaffen.Durch langfristige Investitionen in Aktien oder ETFs kann die individuelle Altersvorsorge deutlich gestärkt werden. Studien zeigen, dass breit gestreute Aktienanlagen langfristig höhere Renditen bieten als klassische Sparprodukte. Daher haben viele Banken – nicht zuletzt deshalb – in den letzten Jahren Sparpläne mit kleinen monatlichen Beträgen eingeführt, was die Veranlagung der breiten Bevölkerung zugänglich gemacht hat. Kleine monatliche Beiträge von z.B. 50€ öffnen kleineren und mittleren Gehaltsempfängern schon die Tore zur langfristigen Vermögenssicherung am Kapitalmarkt. Das zeigt auch ein Blick auf die Zahlen, denn 2024 hatten ganze 1,3 Mio Anleger:innen ein Nettoeinkommen von monatlich unter 3.000 EUR. Ebenso steigt die Zahl der Anleger:innen mit Pflichtschulabschlüssen im Jahr 2024 von 11 auf 14%.

 

Wie kann der Kapitalmarkt in Österreich populärer werden?

1. Finanzbildung

Schulen und Universitäten sollten verstärkt wirtschaftsökonomische Grundlagen und Finanzkompetenz vermitteln. Ebenso müssen Selbständige und Senior:innen in Finanzbildungsprogramme integriert werden, da es sich bei ihnen um jene Gruppen handelt, die am stärksten von einem hohen Verschuldensrisiko und Altersarmut bedroht sind. Die Julius Raab Stiftung setzt sich bereits seit Jahren für den Ausbau von Kompetenzen im Bereich der Finanzbildung ein. Initiativen wie Börsenspiele oder die Erstellung von Budgets für Haushalt, Freizeit und weitere Lebensphasen, können dabei helfen sich mit dem Thema Finanzen ganz generell auseinanderzusetzen.

2. Politische Anreize

Steuerliche Vorteile für langfristige Investitionen, etwa ähnlich dem deutschen Steuerfreibetrag für Kapitalerträge, könnten die Attraktivität erhöhen. Zudem könnte der Staat durch die Wiedereinführung der Behaltefrist, langfristige Investments attraktiver gestalten.

3. Staatliche Unterstützung

Die Weiterentwicklung und stärkere Bekanntmachung vom Bundesministerium für Finanzen eingeführten Projekt Finanz-Navi (https://finanznavi.gv.at/) und Bekanntmachung des dort angeführten Informationsmaterials, welches in jeder Lebensphase und jedem Alter unterstützt.

Die Autorin

Elisabeth Sauritschnig

Elisabeth, geboren in Kärnten, studierte Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Ihre Karriere führte sie von Anwaltskanzleien über den Österreichischen Wirtschaftsbund und das Parlament bis zur Büroleitung im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. Nun engagiert sie sich als Geschäftsführerin der Julius Raab Stiftung in wirtschaftlichen und politischen Projekten.